Nachhaltigkeit und Ernährung

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Löwenzahn mit durch die Luft fliegenden Pollen

Was bedeutet Nachhaltigkeit? Welche Rolle spielt unsere Ernährung für nachhaltige Entwicklung und was können wir jetzt konkret verbessern?

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Bereits vor mehr als 300 Jahren prägte ihn ein Deutscher, der Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714). Ursprünglich bedeutete Nachhaltigkeit Folgendes: In einem Wald werden grundsätzlich nur so viele Bäume abgeholzt, wie dort in einem absehbaren Zeitraum natürlicherweise nachwachsen können. Ziel war es, den Fortbestand des Waldes langfristig zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und so auch die künftige Nutzung zu ermöglichen.

Nachhaltigkeit als interdisziplinäres Handlungsfeld

Erst in den 1980er-Jahren wurde „Nachhaltigkeit“ international bekannter. Die Vereinten Nationen (UN) beriefen eine Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter der Leitung des ehemaligen norwegischen Ministerpräsidenten Gro Harlem Brundtland ein. Die sog. Brundtland-Kommission beschrieb 1987 in ihrem Abschlussbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ (sog. Brundtland-Bericht) das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung. Darin wird eine nachhaltige Entwicklung folgendermaßen definiert:

„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihren eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“

Das bedeutet nach dieser Definition, dass die heute lebenden Menschen nicht nur für die derzeitigen Generationen, sondern auch die zukünftigen Generationen verantwortlich sind. Eine nachhaltige Entwicklung bezieht sich also nicht mehr nur auf die Erhaltung und den Schutz der Wälder. Nachhaltigkeit ist vielmehr zu einem Querschnittsthema geworden.

Im Jahr 1992 entstand im Rahmen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro das Modell der „Drei-Säulen der Nachhaltigkeit“ (auch „Nachhaltigkeitsdreieck“ genannt, s. Abb. 1). Jede der drei Säulen oder Dimensionen – Umwelt, Wirtschaft und Soziales – wird als gleich wichtig und gleichberechtigt betrachtet. Das Modell sagt somit aus, dass eine nachhaltige Entwicklung nur bei gleichwertiger Rücksichtnahme auf alle drei Dimensionen erfolgen kann.

3 Dimensionen in Form von Kreisen: Umwelt, Soziales, Wirtschaft
3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (nach Umweltmission)

Die drei Säulen sind Maßstab und Entscheidungsgrundlage für Staaten, Unternehmen und immer mehr auch für Privathaushalte. Anhand des Modells können sie Leitlinien für nachhaltiges Handeln formulieren und umsetzen. Nähere Informationen zum Drei-Säulen-Modell findet ihr auf der Website der Umweltmission.

17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs)

Fast 30 Jahre nach Erscheinen des Brundtland-Berichts verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der 193 UN-Mitgliedsstaaten im Rahmen des UN-Nachhaltigkeitsgipfels im Jahr 2015 die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Sie verpflichtet alle Staaten – Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer – dazu, innerhalb von 15 Jahren einen positiven Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung weltweit zu leisten. Ziel ist es, anhand von verschiedenen Maßnahmen die Lebensverhältnisse für alle Menschen auf der Erde zu verbessern und die natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen zu erhalten. Konkrete Maßnahmen definiert die Agenda 2030 in Form von 17 Nachhaltigkeitszielen (engl. Sustainable Development Goals, kurz SDGs). Die SDGs beinhalten insbesondere folgende Zielsetzungen:

  • Armut und Hunger bekämpfen
  • Geschlechtergerechtigkeit für alle erlangen und sichern
  • Ein gesundes Leben für alle gewährleisten
  • Weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt und Wohlstand für alle fördern
  • Klimawandel bekämpfen, Klima- und Umweltschutz fördern
  • Menschenrechte schützen, menschenwürdige Arbeit fördern
  • Globale Partnerschaften aufbauen

An den SDGs orientiert sich auch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Kurze und knappe Infos zu den 17 Zielen liefert dieser Kurzfilm.

Die Rolle einer nachhaltigeren Ernährung

Geht es um Nachhaltigkeit in Ernährung und Landwirtschaft, kommen zu den drei Nachhaltigkeitsdimensionen – Umwelt, Wirtschaft und Soziales – zwei weitere hinzu: Gesundheit und Kultur.

Fünf Dimensionen einer Nachhaltigen Ernährung (nach v. Koerber/Männle/Leitzmann 2012)

„Eine nachhaltige und gesunde Ernährung besteht aus Ernährungsmustern, die alle Aspekte der Gesundheit und des Wohlbefindens einer Person fördern; geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben und wenig Umweltbelastung verursachen; verfügbar, bezahlbar, sicher und fair sind und kulturell akzeptiert werden. Die Ziele einer nachhaltigen und gesunden Ernährung sind es, ein optimales Wachstum und die bestmögliche Entwicklung aller Personen zu erreichen sowie die Funktion und das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden in allen Lebensphasen der gegenwärtigen und künftigen Generationen zu begünstigen (…)“ – FAO (ed.): Sustainable healthy Diets. Guiding Principles, Rome 2019

Die Definition von nachhaltiger Ernährung der Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization of the United Nations = FAO) macht deutlich, wie komplex die Zusammenhänge sind. Es gibt nicht die eine perfekte nachhaltige Ernährungsform. Vielmehr ist es ein Prozess, den wir durch viele kleine Veränderungen im Alltag anstoßen können. Es kommt vor allem darauf an, dass wir uns alle auf einen gemeinsamen Weg in Richtung einer nachhaltigeren Form der Nahrungsmittelerzeugung, -verarbeitung, des Lebensmittelhandels, -konsums etc. begeben.

Die globale Nahrungsmittelproduktion ist für ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Mit unserem Ernährungssystem überschreiten wir die planetaren Belastungsgrenzen, von denen das Leben aller Lebewesen abhängt, massiv. Laut der Wissenschaft sind wir bis zum Jahr 2050 in der Lage, zehn Milliarden Menschen auf der Erde mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen und gleichzeitig unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Die Bedingung ist: Wir können nicht weitermachen wie bisher, sondern müssen unsere Agrar- und Ernährungssysteme neu ausrichten.

Planetary Health Diet – Speiseplan für eine nachhaltige Ernährung

Eine Anleitung für die Transformation unserer Ernährungssysteme liefert die sog. Planetary Health Diet. Die Zukunftsstrategie für eine gesunde und nachhaltige Ernährung kann die Gesundheit der Menschen und der Erde gleichermaßen schützen. Sie wurde von der EAT-Lancet-Kommission, der 37 Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen und 16 Ländern angehören, darunter Klimaforscher und Ernährungswissenschaftler*innen, ins Leben gerufen. Die Kommission wurde gegründet, um die wissenschaftliche Basis für einen Wandel des globalen Ernährungssystems zu schaffen.

Das Konzept basiert auf umfassenden Literaturrecherchen, anerkannten Ernährungsempfehlungen und Ergebnissen aus der Gesundheitsforschung. Die abgeleitete Ernährungsform besteht größtenteils aus Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fetten. Die Planetary Health Diet ist so ausgelegt, dass jeder Mensch sie flexibel umsetzen kann – unabhängig von Ernährungsstil, kulturellen Traditionen und individuellen Vorlieben. Zusammengefasst orientiert sich die Planetary Health Diet an den folgenden sieben Grundsätzen.

Sieben Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung (nach v. Koerber et al., 2012)

Die Planetary Health Diet stimmt überwiegend mit den Empfehlungen für eine vollwertige Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) – den „10 Regeln der DGE“ – überein. Die zehn Regeln hat die Fachgesellschaft auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse formuliert und passt sie immer wieder an den Stand der Forschung an. Das Planetary Health-Modell hat jedoch auch seine Grenzen. Menschen aus bestimmten Regionen der Welt können die Empfehlungen aufgrund lokaler Gegebenheiten nicht oder nur unzureichend umsetzen. Auch wir in Deutschland benötigen eine gewisse Umstellungszeit – von heute auf morgen lässt sich wenig bis kaum etwas ändern.

Für eine Transformation sind sowohl individuelle Verhaltensänderungen als auch strukturelle Anpassungen der verschiedenen Lebens- und Umweltbedingungen erforderlich. Übergeordnetes Ziel ist eine ökologisch nachhaltige Ernährung, die überwiegend pflanzliche Lebensmittel enthält. In Dialogprozessen diskutieren und erarbeiten derzeit viele Länder geeignete Strategien und Maßnahmen für ein nachhaltigeres, mehr pflanzenbetontes Ernährungssystem. In Deutschland startete der Nationale Dialog in 2021 mit fünf Themenfeldern entlang der Wertschöpfungskette von der Lebensmittelerzeugung bis zur Ernährung. Die Ergebnisse fließen in die politische Arbeit im Hinblick auf die Agenda 2030 und die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele ein. Bis Ende 2023 soll die Ernährungsstrategie der Bundesregierung vorliegen.

Quellen

(Stand: 10.02.2024)

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