Hirse, komm raus aus der Nische!

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„Hirse ist eine wichtige Kultur für die Zukunft. Mit ihr passen wir uns an den Klimawandel und die daraus resultierende Trockenheit an“, sagt Günter Schlotter vom Biokreis Erzeugerring Mitteldeutschland[1].

Was ist Hirse und woher kommt sie?

Hirse ist die Sammelbezeichnung für alle Getreidearten mit kleinen, millimetergroßen runden Körnern ohne Längsfurche. Das sogenannte „Pseudogetreide“ gehört zur Pflanzenfamilie der Süßgräser und stellt einen wichtigen Teil der weltweiten Nahrungsmittelversorgung dar. Ursprünglich stammt die Hirse aus Afrika und der Mongolei. Übersetzt heißt Hirse „Sättigung“. Wir teilen die Hirsearten nach der Beschaffenheit der Körner in zwei Hauptgruppen: Die kleinkörnigen Rispenhirsen (auch echte Hirsen genannt) und die großkörnigen Sorghum-Hirsen.

Trotz ihrer jahrhundertelangen Tradition, führt die Hirse bei uns immer noch ein Schattendasein im Vergleich zu anderen Getreidearten. Sie gilt als eine der ältesten Getreidearten, die bereits vor 5.000 Jahren im mitteldeutschen Raum angebaut wurden. Die Menschen schätzten sie als festen Bestandteil in ihrer täglichen Ernährung. Hirsebrei galt sogar als Hochzeitsessen. Mit dem Märchen „Der süße Hirsebrei“ der Gebrüder Grimm ging die Hirse sogar in die Geschichte ein.

Kartoffeln und Weizen verdrängten die Hirse im Laufe der Jahrhunderte bei uns. In einigen Teilen Afrikas und Asiens ist Hirse bis heute ein Grundnahrungsmittel. Inzwischen wird sie wieder in Deutschland angebaut, auch in Bio-Qualität. Trotzdem werden die gesunden Körnchen häufig aus China, Indien, Kanada, USA oder Österreich importiert.

Die bekannteste Unterart ist die Goldhirse, eine natürliche Variation der Hirse, deren Farbe sie durch den besonders hohen Anteil an Beta-Carotin (Provitamin A) erhält. Daneben ist die Braunhirse, eine rot-orange Rispenhirse, relativ bekannt und häufiger in Bio-Läden und Reformhäusern zu finden. Als einzige Hirseart ist die Braunhirse ein echtes Vollkornprodukt, da die Körnchen nicht entspelzt werden.

Teff, auch Sudangras genannt, ist eine weitere Hirseart, die überwiegend in Reformhäusern erhältlich ist. Sie stammt ursprünglich aus Nordäthiopien, wo sie seit Jahrtausenden als Hauptnahrungsmittel dient. Die Samenkörner haben nur einen Durchmesser von 1-1,5 Millimetern, so dass erst über 100 Teffkörner das Gewicht eines Weizenkorns ergeben. Daher wird Teff auch als Zwerghirse bezeichnet. Sie kommt als rotes, braunes und weißes Korn vor, wobei die weiße Form am bedeutendsten ist. Seit einigen Jahren wird Teff auch in den USA, Kanada sowie in Europa, hauptsächlich in den Niederlanden, angebaut.

 

Welchen Mehrwert bietet Hirse in der Ernährung?

Alle Hirsearten enthalten viele gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe, die aber abhängig von der Sorte und Farbe der Körnchen variieren. Die gelben Sorten (Goldhirse) enthalten mehr Beta-Carotin, die roten bzw. braunen Sorten mehr Antioxidantien und die glasig-weißen Sorten sind besonders proteinreich.

Von den folgenden gesunden Inhaltsstoffen ist in allen Hirsearten eine beträchtliche Menge zu finden:

  • Proteine
  • Ballaststoffe
  • Beta-Carotin (Provitamin A)
  • Vitamin C
  • B-Vitamine (B1, B3, B5, B6)
  • Eisen
  • Fluor
  • Zink
  • Kalzium
  • Magnesium
  • Silizium

Das feinkörnige Getreide besitzt einen aromatischen, nussigen Geschmack und ist vielseitig in der Küche verwendbar (s. u.). Hinsichtlich der Inhaltsstoffe und Verwendungsmöglichkeiten wird die Hirse auch als heimische Alternative zu Quinoa bezeichnet.

Hirse ist glutenfrei und somit für Menschen mit Zöliakie – Menschen, die das Klebereiweiß Gluten nicht vertragen – geeignet. Sie soll sich bei Magen-Darm-Problemen und Gallensteinen günstig auswirken, weil sie leicht verdaulich und gut bekömmlich ist. Laut einer kanadischen Studie kann Hirse zudem eine zu hohe Insulin-Ausschüttung verhindern. Das macht das Getreide besonders attraktiv für Diabetiker. Nach den Ergebnissen einer indischen Studie kann eine 28-tägige Hirse-Kur den Blutzuckerspiegel senken und gleichzeitig den HDL-Cholesterinspiegel anheben.

Gerade für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, ist Hirse eine gute Alternative für die bekannteren Getreidearten wie Weizen, Dinkel oder Hafer. Sie kann bei regelmäßigem Verzehr insbesondere zur Deckung des Protein- und Eisenbedarfs beitragen. Hirsebrei aus Hirseflocken ist beispielsweise neben Haferbrei beliebt bei Babys und Kleinkindern.

Nachteilig auf die Nährstoffversorgung kann sich die in Hirse enthaltene Phytinsäure, ein sekundärer Pflanzenstoff, auswirken. Sie bindet Mineralstoffe und Spurenelemente, unter anderem Eisen und Zink. Die lebenswichtigen Substanzen gehen dem Körper teilweise verloren. Um diesen Effekt zu reduzieren, gibt es einen Trick: Weiche die Hirse vor dem Kochen über Nacht in Wasser ein. Die wasserlösliche Phytinsäure geht ins Einweichwasser über. Schütte das Wasser am Morgen weg und koche die Hirse in frischem Wasser. Bei einer vielseitigen Ernährung ist jedoch kein Nährstoffmangel durch Phytinsäure, die sich auch in anderen Getreidearten, Hülsenfrüchten, Ölsaaten und Nüssen findet, zu befürchten.

Weitere Tipps werden im Folgenden aufgeführt: Um die Eisenaufnahme aus Hirse in den Körper zu erhöhen, kombiniere die Hirse mit Vitamin C-reichen Lebensmitteln, wie Brokkoli, Paprika oder Zitrusfrüchten. Nimm Getränke wie Kaffee und schwarzen Tee nicht direkt zu einem Hirse-Gericht oder kurz nach dem Verzehr zu dir, sondern mit bis zu 1-2 Stunden Abstand zur Mahlzeit.

In der Küche vielseitig einsetzbar

Hirse ist teilweise aus biologischem Anbau in ganzen Körnern, als Hirsemehl, Hirseflocken und Hirsegrieß im Handel erhältlich. Braunhirse wird vorwiegend in Form von Mehl in Bio-Läden und Reformhäusern angeboten.

Hirse ist einfach zuzubereiten: In der Regel wird sie in der doppelte Menge Flüssigkeit – Wasser, Milch oder Pflanzendrink – in 15 – 20 Minuten gegart. In den letzten 5 Minuten der Garzeit quillt das Getreide auch bei ausgeschaltetem Herd nach. Die gekochte Hirse findet sehr vielfältige und kreative Verwendungsmöglichkeiten in der Küche, sowohl in süßer als auch herzhafter Form:

  • süß: Hirsebrei, Müslitopping (in gepoppter Form), Dessertcreme, Kuchen, Gebäck
  • herzhaft: Beilage (als Alternative zu Reis), Salat, Brotaufstrich, Risotto („Hirsotto“), Aufläufe, Gemüsefüllungen (Paprika, Kürbis, Zucchini), Bratlinge, Brot/Brötchen

Hirse, ausgenommen Teff, wird entspelzt, bevor es in den Handel kommt. Es ist somit kein echtes Vollkorngetreide. Da die Nährstoffe aber (anders als bei anderen Getreidearten) im ganzen Korn verteilt sind, ist die Hirse ebenso nahrhaft wie Vollkornprodukte. Das beim Entspelzen möglicherweise freigesetzte Keimöl legt sich um die Hirsekörner. Dieses oxidiert schnell und kann zu einem bitteren Geschmack führen. Dagegen hilft es, Hirse vor der Zubereitung gründlich mit warmem Wasser zu waschen.

Braunhirsemehl eignet sich als Zusatz zu Müslis, Joghurt und Smoothie-Bowls oder als Zutat für Brot, Kuchen und andere Backwaren. Teff wird bei uns ebenso ausschließlich als Mehl in Bio-Läden und Reformhäusern angeboten. Es eignet sich in der Küche unter anderem als Bindemittel für Suppen und Saucen, für Bratlinge, Waffeln, Pfannkuchen oder als Zutat für Brot, Brötchen und Gebäck.

Beachte: Verwende Hirsemehl (ob aus Braunhirse oder Teff) in Backwaren ergänzend zu anderen glutenhaltigen Mehlen.

Rezeptidee: One-Pot-Hirse

Weil Hirse schnell gart, kann man sie gleichzeitig mit Gemüsestücken kochen. Dafür Gemüse der Saison (oder was der Kühlschrank gerade hergibt 😊) waschen, klein schneiden und in etwas Bratöl (z. B. Bratolivenöl) anbraten. Die gewünschte Menge Hirse zugeben (ca. 50-70 g pro Person) und mit der doppelten Menge Wasser oder Gemüsebrühe auffüllen. Aufkochen und ziehen lassen. Zwischendurch umrühren und eventuell mehr Wasser zugeben. Nach 15-20 Minuten ist alles gar. Nach Belieben mit Jodsalz, Pfeffer und weiteren Gewürzen abschmecken und mit saurer oder süßer Sahne, Parmesan oder Kräutern verfeinern. Guten Appetit!

Hirse gibt es sogar in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Hersteller*innen werben mit den angeblich gesundheitsfördernden Effekten der Braunhirse: Sie soll unter anderem gegen Haarausfall, Nagelerkrankungen, Arthrose, Karies oder Osteoporose helfen. Keine dieser angeblichen Heilwirkungen ist bislang wissenschaftlich belegt.

Hirse trotzt Dürren und nährstoffarmen Böden

Hirse wächst auf nährstoffarmen Böden, bevorzugt in wärmeren Gebieten. In Zeiten von Klimakrise und Artensterben gewinnt der Hirseanbau bei uns in Europa, beispielsweise in Österreich und Deutschland, wieder an Bedeutung.

Der heimische Anbau führt dazu, dass weniger CO2-Emissionen durch den Import von Hirse aus China, Kanada und den USA entstehen.

Wie der Mais wird die frostempfindliche Pflanze erst Ende April oder Anfang Mai gesät. Die Ernte erfolgt je nach Witterung von Ende August bis Anfang Oktober. Aufgrund dieser kurzen Vegetationszeit war Hirse schon früher ein beliebtes Grundnahrungsmittel. Ökologisch vorteilhaft ist, dass die Halme der Hirsepflanze als Naturfasern weiterverwendet werden können.

Das anspruchslose, widerstandsfähige Süßgras erträgt Hitze und Dürreperioden besser als andere heimische Getreidearten. „Hirse ist eine wichtige Kultur für die Zukunft. Mit ihr passen wir uns an den Klimawandel und die daraus resultierende Trockenheit an“, betont Günter Schlotter vom Biokreis Erzeugerring Mitteldeutschland. Das Getreide benötigt wenig Wasser und ist unempfindlich gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Das macht Pflanzenschutzmittel überflüssig, weshalb sich Hirse gut für den Ökolandbau eignet.

In der ökologischen Landwirtschaft werden häufig alte, einheimische Sorten angebaut und so die Artenvielfalt gefördert. Die Nachfrage nach heimischer Bio-Körnerhirse (Sorghum-Hirse) sei laut Günter Schlotter derzeit größer als das Angebot. Bio-Hirse in deutschen Märkten stammt vielfach noch aus Österreich. In Deutschland dient die Sorghum-Hirse bisher vor allem als Rohstoff für Biogasanlagen und als Viehfutter.

 

Fazit

Hirse ist wenig bekannt und wird vielfach unterschätzt. Sie bietet viele Vorteile, sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für das Klima, die Umwelt und den Artenschutz. Sie führt zu Unrecht immer noch ein Nischendasein und sollte in Zukunft viel mehr Beachtung finden.

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Quellen:

Verbraucherzentrale Bremen e.V. (2022): Hirse – eine kulinarische Alleskönnerin, Pressemitteilung vom 15.11.2022. https://www.verbraucherzentrale-bremen.de/pressemeldungen/lebensmittel/gesund-ernaehren/hirse-eine-kulinarische-alleskoennerin-78742 (abgerufen am 26.11.2022)

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) (2022): Hirse hilft in der Klimakrise. https://www.oekolandbau.de/bio-im-alltag/bio-fuer-die-umwelt/pflanzenbau/hirse-hilft-in-der-klimakrise/ (abgerufen am 27.11.2022)

Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH (dlv) (2022): Hirse gefragt: Darum lohnt das Spelzgetreide für glutenfreie Ernährung. https://www.agrarheute.com/pflanze/getreide/hirse-gefragt-lohnt-spelzgetreide-fuer-glutenfreie-ernaehrung-590240 (abgerufen am 27.11.2022)

Verbraucherzentrale NRW e.V. (2020): Soll man Nüsse aufgrund der Phytinsäure vor dem Verzehr einweichen? https://www.lebensmittel-forum.de/faq/forum-lebensmittel-und-ernaehrung/soll-man-nuesse-aufgrund-der-phytinsaeure-vor-dem-verzehr-einweichen-54207 (abgerufen am 28.11.2022)

Utopia GmbH (2020): Goldhirse: Nährstoffe und Rezepte für das Spelzgetreide. https://utopia.de/ratgeber/goldhirse-naehrstoffe-und-rezepte-fuer-das-spelzgetreide/ (abgerufen am 26.11.2022)

Utopia GmbH (2020): Braunhirse: Nährstoffe und Rezepte für das Spelzgetreide. https://utopia.de/ratgeber/braunhirse-naehrstoffe-und-rezepte-fuer-das-spelzgetreide/ (abgerufen am 26.11.2022)

Utopia GmbH (2018): Hirse: Wissenswertes über das gesunde und glutenfreie Getreide. https://utopia.de/ratgeber/hirse-wissenswertes-ueber-das-gesunde-und-glutenfreie-getreide/ (abgerufen am 26.11.2022)

Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) (2018): Hirse – ein echter Alleskönner: Regionaler Anbau ist möglich. https://www.bzfe.de/was-wir-essen-blog/blog-archiv/blog-archiv-2018/januar-2018/hirse-ein-echter-alleskoenner/ (abgerufen am 26.11.2022)

Verband für unabhängige Gesundheitsberatung e.V. (UGB) (2007): Was ist Teff? https://www.ugb.de/exklusiv/fragen-service/was-ist-teff/ (abgerufen am 27.11.2022)

Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH (1999): Lexikon der Biologie – Hirse. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/hirse/32017 (abgerufen am 28.11.2022)

[1] Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH (dlv) (2022): Hirse gefragt: Darum lohnt das Spelzgetreide für glutenfreie Ernährung. https://www.agrarheute.com/pflanze/getreide/hirse-gefragt-lohnt-spelzgetreide-fuer-glutenfreie-ernaehrung-590240 (abgerufen am 27.11.2022)

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